S. F. 5. April 1945
55 Mason Str. Hotel Ambassador

Lieber u. verehrter Freund!

Es fällt mir unendlich schwer Ihnen alles Folgende zu schreiben. Ich möchte Sie eben nicht, wenn Ihnen Beschaulichkeit geschenkt ist, Sie darin stören. Ich weiß genau wie auch Sie als Künstler einsam kämpfen. Mein Vertrauen in Ihre Menschlichkeit ist enerschütterlich, wie oft haben Sie es mir bewiesen, daß ich mich als letztes Mittel an Sie wende.

Ich stehe dem "suicide" (klingt ein bischen [?besser]!) näher als dem Leben. Nichts ist finanzieller Natur. Ich habe sogar ein wenig Erspartes. Ich habe seit Sept. 1942 meinen job gehabt. Diese Institution ist nun aufgeflogen. 1 Ich bin keine Nacht in dieser Zeit vor 2 oder 3 Uhr von meinem Dienst gekommen. Ich kann jederzeit einen neuen job, einen härteren finden. Ich kann aber nicht mehr u. will nicht mehr. Ich habe die ganze Zeit Versuche gemacht, aber immer Erfahrungen gemacht mit "Musikern" u. "Artisten" die, wenn ich sie Ihnen stundenlang, beweisend erzählen würde, von Ihnen nicht geglaubt werden könnten. Ich möchte nur so lange leben, u. in der Musik leben, um ein Büchlein zu zu [sic] schreiben, dessen Inhalt mir so am Herzen liegt u. der Ihnen sicher in manchem Wege auch interessant scheinen würde. 2 Ich muss auch so lange leben, um zu wissen ob meine arme Schwester im Concentrationslager Theresienstadt noch lebt oder nicht. 3 {2} Ansonsten bin ich elend allein. Die tragischesten Dinge sind auf mich gefallen. Vielleicht kann ich Ihnen mehr sagen, wenn wir uns wieder treffen. Vielleicht kann ich es im Sommer möglich machen Sie auf ein paar Stunden zu sehen.

Nun um was ich Sie bitten möchte:

Ich habe das Gefühl, daß Mr. Monteux, 4 bei aller gesellschaftlichen Verbundenheit, doch ein seriöser Mann ist mit dem man reden könnte. Ist es Ihnen möglich an ihm zu schreiben, daß er mir eine Unterredung gibt[?] Ich möchte ihm alles zeigen u. alles erzählen. Sie werden in Ihrer gute Worte finden die ihre Wirkung nicht verfehlen werden. Sie machen das sicher besser als ich. Jedenfalls schreiben Sie ihm daß Sie über meine Erfahrungen die ich gemacht sehr besorgt sind u. daß er, wenn er Willens ist zu lauschen sicher Dinge hören wird die auch ihn berühren werden. Ich habe kein Anliegen an ihn. Ich möchte nur eine ausführliche Besprechung haben. Können Sie das veranlassen? 5

Nächste Woche gehe ich zum ersten mal in's Konzert u. werden Ihre Kammersymphonie hören u. Ihnen darüber berichten.

Beiliegendes ist ein historisches Dokument über das Niveau der hiesigen "Kritik". Senden Sie es mir zurück. Es ist ein Unicum gleichsam als wenn jemand beim Anhören des Trauermarsches der Eroica schreiben würde: "Der Trauermarsch klingt nicht so "somber" als den Titel verspricht, denn man [left margin, written sideways:] hört die wohlbekannte Scene am Bach mit allen Vogelstimmen etc. etc.["]

Grüßen Sie herzlichst Ihre liebe Familie u. antworten Sie mir ob ja oder nein. Beides nimmt auf in gleicher Freundschaft


Ihr getreuer
[signed:] MViolin

© Transcription Ian Bent, 2020


S. F. April 5, 1945
55 Mason Street, Hotel Ambassador

Dear and revered Friend,

It is extremely difficult for me to write to you all that follows. I don't wish to disturb you if you are blessed with a period of quiet contemplation. I know well how even you have to fight as an artist. My trust in your human kindness is unshakeable. How often you have demonstrated to me that I may turn to you as a final resort.

I am closer to "suicide" (sounds a little [?better]!) than to life. It's not a matter of money: I still have a little saved up. I have had my job since September 1942. My livelihood has now gone up in smoke. 1 Throughout this time, there's not been a night when I've escaped from my duties before 2 or 3 o'clock. At every moment there is always some new, harder job for me to do. I just can't go on ‒ I won't go on. I have tried time and again, but have always had experiences with "musicians" and "artists" that, if they were to be recounted explicitly to you for hours on end, would not be credited by you. All I want is to live long enough ‒ in the world of music ‒ to write a short book the content of which is so dear to my heart, and would in so many ways surely be of interest to you, too. 2 I must also go on living long enough to find out whether my poor sister in the Theresienstadt concentration camp is still alive or not. 3 {2} If not, I will be wretchedly alone. The most tragic things have befallen me. Perhaps I can tell you more if we meet up again. Maybe I can arrange things so as to see you for a few hours in the summer.

Now to what I should like to ask you:

I have the feeling that Mr. Monteux, 4 from all that I hear, is a really serious-minded man with whom one could talk. Would it be possible for you to write to him and ask him to give me an interview[?] I should like to tell him all about it. You will find the words that will not fail to have an effect [on him]. You do it far better than I. In any case, write to him that you are very worried about the experiences that I have had, and that if he is willing to hear me out he will definitely hear things that will touch even him. I have no access to him. I should just like to have one searching conversation. Can you arrange that? 5

Next week I am going to a concert for the first time, and will hear your Chamber Symphony, and will report back to you about it.

The enclosed is a historic document about the level of "criticism" today. Let me have it back. It is something unique, rather as if someone, on hearing the Funeral March of the "Eroica," were to write: "The Funeral March does not sound as "somber" as its title suggests, for one [left margin, written sideways:] hears the well-known Scene by the Brook with all the birdsongs, etc., etc.["]

Give my cordial greetings to your dear family, and answer me whether "Yes" or "No." Either will be received in equally friendly fashion.


Your trusty
[signed:] M. Violin

© Translation Ian Bent, 2020


S. F. 5. April 1945
55 Mason Str. Hotel Ambassador

Lieber u. verehrter Freund!

Es fällt mir unendlich schwer Ihnen alles Folgende zu schreiben. Ich möchte Sie eben nicht, wenn Ihnen Beschaulichkeit geschenkt ist, Sie darin stören. Ich weiß genau wie auch Sie als Künstler einsam kämpfen. Mein Vertrauen in Ihre Menschlichkeit ist enerschütterlich, wie oft haben Sie es mir bewiesen, daß ich mich als letztes Mittel an Sie wende.

Ich stehe dem "suicide" (klingt ein bischen [?besser]!) näher als dem Leben. Nichts ist finanzieller Natur. Ich habe sogar ein wenig Erspartes. Ich habe seit Sept. 1942 meinen job gehabt. Diese Institution ist nun aufgeflogen. 1 Ich bin keine Nacht in dieser Zeit vor 2 oder 3 Uhr von meinem Dienst gekommen. Ich kann jederzeit einen neuen job, einen härteren finden. Ich kann aber nicht mehr u. will nicht mehr. Ich habe die ganze Zeit Versuche gemacht, aber immer Erfahrungen gemacht mit "Musikern" u. "Artisten" die, wenn ich sie Ihnen stundenlang, beweisend erzählen würde, von Ihnen nicht geglaubt werden könnten. Ich möchte nur so lange leben, u. in der Musik leben, um ein Büchlein zu zu [sic] schreiben, dessen Inhalt mir so am Herzen liegt u. der Ihnen sicher in manchem Wege auch interessant scheinen würde. 2 Ich muss auch so lange leben, um zu wissen ob meine arme Schwester im Concentrationslager Theresienstadt noch lebt oder nicht. 3 {2} Ansonsten bin ich elend allein. Die tragischesten Dinge sind auf mich gefallen. Vielleicht kann ich Ihnen mehr sagen, wenn wir uns wieder treffen. Vielleicht kann ich es im Sommer möglich machen Sie auf ein paar Stunden zu sehen.

Nun um was ich Sie bitten möchte:

Ich habe das Gefühl, daß Mr. Monteux, 4 bei aller gesellschaftlichen Verbundenheit, doch ein seriöser Mann ist mit dem man reden könnte. Ist es Ihnen möglich an ihm zu schreiben, daß er mir eine Unterredung gibt[?] Ich möchte ihm alles zeigen u. alles erzählen. Sie werden in Ihrer gute Worte finden die ihre Wirkung nicht verfehlen werden. Sie machen das sicher besser als ich. Jedenfalls schreiben Sie ihm daß Sie über meine Erfahrungen die ich gemacht sehr besorgt sind u. daß er, wenn er Willens ist zu lauschen sicher Dinge hören wird die auch ihn berühren werden. Ich habe kein Anliegen an ihn. Ich möchte nur eine ausführliche Besprechung haben. Können Sie das veranlassen? 5

Nächste Woche gehe ich zum ersten mal in's Konzert u. werden Ihre Kammersymphonie hören u. Ihnen darüber berichten.

Beiliegendes ist ein historisches Dokument über das Niveau der hiesigen "Kritik". Senden Sie es mir zurück. Es ist ein Unicum gleichsam als wenn jemand beim Anhören des Trauermarsches der Eroica schreiben würde: "Der Trauermarsch klingt nicht so "somber" als den Titel verspricht, denn man [left margin, written sideways:] hört die wohlbekannte Scene am Bach mit allen Vogelstimmen etc. etc.["]

Grüßen Sie herzlichst Ihre liebe Familie u. antworten Sie mir ob ja oder nein. Beides nimmt auf in gleicher Freundschaft


Ihr getreuer
[signed:] MViolin

© Transcription Ian Bent, 2020


S. F. April 5, 1945
55 Mason Street, Hotel Ambassador

Dear and revered Friend,

It is extremely difficult for me to write to you all that follows. I don't wish to disturb you if you are blessed with a period of quiet contemplation. I know well how even you have to fight as an artist. My trust in your human kindness is unshakeable. How often you have demonstrated to me that I may turn to you as a final resort.

I am closer to "suicide" (sounds a little [?better]!) than to life. It's not a matter of money: I still have a little saved up. I have had my job since September 1942. My livelihood has now gone up in smoke. 1 Throughout this time, there's not been a night when I've escaped from my duties before 2 or 3 o'clock. At every moment there is always some new, harder job for me to do. I just can't go on ‒ I won't go on. I have tried time and again, but have always had experiences with "musicians" and "artists" that, if they were to be recounted explicitly to you for hours on end, would not be credited by you. All I want is to live long enough ‒ in the world of music ‒ to write a short book the content of which is so dear to my heart, and would in so many ways surely be of interest to you, too. 2 I must also go on living long enough to find out whether my poor sister in the Theresienstadt concentration camp is still alive or not. 3 {2} If not, I will be wretchedly alone. The most tragic things have befallen me. Perhaps I can tell you more if we meet up again. Maybe I can arrange things so as to see you for a few hours in the summer.

Now to what I should like to ask you:

I have the feeling that Mr. Monteux, 4 from all that I hear, is a really serious-minded man with whom one could talk. Would it be possible for you to write to him and ask him to give me an interview[?] I should like to tell him all about it. You will find the words that will not fail to have an effect [on him]. You do it far better than I. In any case, write to him that you are very worried about the experiences that I have had, and that if he is willing to hear me out he will definitely hear things that will touch even him. I have no access to him. I should just like to have one searching conversation. Can you arrange that? 5

Next week I am going to a concert for the first time, and will hear your Chamber Symphony, and will report back to you about it.

The enclosed is a historic document about the level of "criticism" today. Let me have it back. It is something unique, rather as if someone, on hearing the Funeral March of the "Eroica," were to write: "The Funeral March does not sound as "somber" as its title suggests, for one [left margin, written sideways:] hears the well-known Scene by the Brook with all the birdsongs, etc., etc.["]

Give my cordial greetings to your dear family, and answer me whether "Yes" or "No." Either will be received in equally friendly fashion.


Your trusty
[signed:] M. Violin

© Translation Ian Bent, 2020

Footnotes

1 This statement is open to several interpretations, but the translation adopts the most likely meaning: Since 1942, Violin has been working at the ferry port, selling tickets to workers on the night ("third") shift at the Sausalito shipyards (hence Violin's next sentence). On April 2, 1945 the Greyhound bus company announced it was starting a direct bus service from central San Francisco to the Winship shipyard on account of "the discontinuation of the direct ferry service." In the previous month, Marinship started the elimination of its second and third shifts and switching from construction to "repair and overhaul." The new bus service was to cover only the day shift and the afternoon‒evening ("swing") shift. (San Francisco Examiner, March 4, April 2, June 25, 1945) Thus Violin would soon be out of a job.

2 The prospective book, Die Kunst des Vortrages, is mentioned once before by Violin, in LC ASC 27/45, [28], May 21, 1941.

3 Fanny Violin's case is first mentioned in LC ASC 27/45, [28], May 21, 1941, when Violin was raising money to rescue her from Vienna. Fanny perished in Auschwitz in 1944.

4 Pierre Monteux (1875‒1964), internationally renowned conductor; conductor of the San Francisco Orchestra 1936‒52. A letter from him to Violin dated September 19,1947, under the San Francisco Symphony Orchestra letterhead, is preserved as OJ 70/29, [1]. It reads (in English): "Dear Mr. Violin, I sent you recently the scores of your orchestrations, which are very interesting, but really a little too light in "caractère," and a little too much like the Brahms Hungarian Dances, to be included in my programs. But, as you are yourself a composer, I would prefer, for the first time, to present a work by you. It is too late for the coming season, but as you live in San Francisco, we can meet some time and you can show me some of your compositions – Very sincerely, Pierre Monteux."

5 Schoenberg answered this letter in LC ASC 7/50, [15], April 10, 1945, indicating that he had written to Monteux.