Es schien immer einfacher, daß ich Sie um die Empfehlung eines Aufsatzes an den Redakteur des „Literaturblattes“ (nicht des Feuilletons!) in der „N. fr. Pr“, oder an einen der Herausgeber der „Österr. Rdschau“ ersucht hätte; indessen mach’ ich es, wie Sie sehen, Kompliziertes, nur um meine u. Ihre Empfehlung besser zu fundieren. 1 Ich möchte es vermeiden, daß Sie meine Empfehlung mistrauen, u. andererseits auch Sie selbst in die bequeme Lage versetzen (wenn überhaupt einen Aufsatz zu empfehlen, ein bequemes Geschäft ja zu nennen ist!), mit guten Gewissen die Empfehlung zu geben.

Zunächst vom Aufsatz.

Er bringt ein so ausgezeichnetes u. neues Lesen des „Manfred“ von Byron zum Ausdrucke, daß es eine Freude ist, endlich mit dem Autor hinter dieses uralte Problem dahin zu kommen. Der Theil II des Aufsatzes ist so überzeugend, daß man sich wundert, nicht schon früher selbst all diese feinen u. freiesten Beziehungen wahrgenommen, oder von Anderen sie blosgelegt erhalten zu haben! Der Autor gab mir Gelegenheit, die im Aufsatz citierte Lite- {2} ratur selbst zu kontrollieren, und ich kann daher die völlige Neuheit des im Grunde gar so einfachen Resultates aus eigener Wahrnehmung bestätig t en . Daß man „Manfred“ bis nun so falsch, so unkünstlerisch auffasste, würde ich nie geglaubt haben, wenn ich es in den Hauptwerken nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, u. da fiel mir dann auch ein, daß ja schließlich auch die Beethoven schen Werke, oder die von Bach, Brahms noch des rüstigen Leserherren, u. daß so auch – um Ihr Fach zu citieren – am allerwenigesten gerade die Muthers’, Meier-Gräfes’, Frimmels’ von den Bildern richtige Auskunft geben, die sie beschreiben. 2 Überall, überall dasselbe: Die Menschen sehen nicht, hören nicht, sie können nicht lesen u.s.w.

Es ist beschämend, daß es einer Frau – diesem Geschlechtes gehört nämlich der Autor an – vorbehalten sein müßte, das Geheimnis des Dramas zu lüften. Und als eingefleischter Gegner der Frau auf geistigem Gebiete würde ich niemals dem Wert der Arbeit zugeben, wenn ich mich vom [recte von] de[m]selben, wie gesagt, nicht aufs Peinlichste selbst würde überzeugt haben. Und daß die Frau obendrein gar eine Freundin von mir ist, {3} – eine alte (sie zählt schon 54 Jahre 3 ) – würde mich sicher auch gehindert haben, der Sache einen Wert beizulegen. Seinerzeit habe ich der Dame einige Aufsätze über Spencer [sic], Mach u.s.w. in der „ Revue “, „Zeit“ vermittelt, – seit vielen, vielen Jahren ist diese Arbeit die erste, die sie publizieren mochte. Ich sage es, damit Sie wissen, dass sie weniger „Schriftstellerin“ von Beruf ist u. die „Crüwells, Sil Varas, Leon Kellner u. s.w. keineswegs mit Konkurrenz bedrohen will, 4 daß sie vielmehr der Sache zu Liebe die Studien über „Manfred“ auf sich genommen und nun einen Aufsatz dargelegt hat. Auch sollen Sie den Inhalt des Aufsatzes schon darum kennen lernen, weil es nur nicht unwahrscheinlich vorkommt, daß die Frau, eine wehrlose Autorin, von einem minder netten Redakteur einfach um ihre Arbeit betrogen werden könnte, wie es mir selbst wiederholt mit Osten, Harden, Heuberger, Mandyczewski passiert ist. 5 Ein Max Graf würde am nächsten Tage mit „Bekanntlich“ 6 die Pointe einer andauernden Arbeit, die fremdes Eigentum ist, einleiten, u. der Autorin ihren Aufsatz zurückgeben. {4} Eine solche Ungerechtigkeit soll nach Möglichkeit nun durch mein u. Ihr Mitwissen verhindert werden.

Der Titel ist nur der Bescheidenheit halber so gesetzt worden, damit der Redakteur fürs Erste glaube, nur einen Bericht, einen summarischen Bericht über den gegenwärtigen Stand des noch immer vielerörterten Problems erhalten zu haben. (Vor Kurzem beschäftige sich ein mir unbekannter Autor in der Fischer’schen Rdbl. [sic], Berlin, 7 wieder mit „Manfred“). Würde der Redaktor Einsicht haben, die Neuheit des Resultates zu glauben, so könnte er dann allenfalls den Titel ändern, wie z.B. das „Manfred-Problem“, aus dem Werke selbst erschlossen, – oder ähnlich.

Das Schumann „Manfred“ zu komponieren überhaupt Lust fand, bleibt das Verwunderlichste. Auch er hat das Werk leider falsch gelesen, sonst hätte er es nicht komponieren – dürfen.

So viel vom Aufsatz u. dessen Autor.

Gerne benütze ich aber diese Gelegenheit auch dazu, Ihnen den ersten Halbband des Kontrapunktes für die {5} nächste Zeit in Aussicht zu stellen. Sie erhalten selbstverständlich ein Exemplar von mir. 8 Der 2. Halbband dürfte aber erst zu Ostern 1910 herauskommen. Dort erfolgt auch die Abrechnung mit den Götzen, „Laien“, u.s.w. Ein volles Jahr dauern schon die Korrekturen des I. Halbbandes, u. wir sind noch nicht fertig. Schade, daß ich Sie in Wien in der letzten Zeit nicht sehen konnte, aber die Garnitur: 9 Stauber, Bach etc., widerstehen mir so, daß ich, der ich übrigens bis in den späten Abend hinein zu unterrichten habe, es nicht über mich bringen kann, noch ins Caféhaus einzutreten. Oft genug wollte ich Sie zu einem Rendezvous bitten, nur um mit Ihnen zu plaudern, als dem Gleichgesinnten, aber ich fürchtete, Ihnen damit unbequem zu werden. Vielleicht freut es Sie doch, um von mir selbst zu erfahren, daß ich mit den Erfolgen meiner Arbeiten ganz u. gar zufrieden bin. Sogar, was als bester Beweis gelten mag, die „Universal-Edition“ zahlt mir die Honorare, wie ich sie fordere. Und mehr als das: der Direktor bot mir {6} – – ein Jahresrente an, nur damit ich für die Edition arbeite. Ist Ähnliches in Wien schon vorgekommen? Ich gieng natürlich darauf nicht ein, weil ich die Rente sicher nicht im nötigen Ausmaß erhalten hätte, um die Herabsetzungen der Honorare erleiden zu können. Mir sind die stark erhöhten Honorare lieber. Und so bin ich augenblicklich in der angenehmen Lage, zu Bach’s „Chrom. Fantasie u. Fuge“ Erläuterungen für die „U. E.“ zu verfassen, die im Herbst an Stelle von Busoni’s Ausgabe erscheinen u. in der Akademie angenommen werden sollen. Zum ersten Mal würden dann zu Bach sachliche Kommentare erscheinen, u. ich freue mich sehr, sehr auf diese Arbeit. Denken Sie, Dir. Bopp , den ich selbst nicht kenne, wünschte sogar eine Ausgabe des „Wohl-temperierten Klaviers“ mit Erläuterungen von mir, indirekt durch den Direktor der „U. E.“, 10 ich habe aber vorläufig diese große Arbeit abgelehnt, weil ich eine noch wichtigere,: „Der Niedergang der Kompositionskunst“ (als Bd. III) 11 {7} zu publizieren habe. Übrigens hat die „U. E.“ auch diesen Band mir abnehmen wollen, um mich von Cotta loszutrennen, – doch das Alles gehört späteren Jahren an. Selbst Heuberger, der Fallottensten Einer, gestand mir zu, daß Bopp für meine Arbeiten sehr, sehr eingenommen ist. Und so stecke ich ganz in Arbeit, hier für Cotta, dort die „chrom. Fantasie“. Vielleicht wird es mit dem Geldertrag immer besser, vielleicht . . Es wäre höchste Zeit, daß ich auf einem grünen Zweig komme.

Nun aber genug. Erfreuen Sie mich mit Paar Zeilen, u. vor allem vergessen Sie nicht, daß ich Sie auch die „Öster. Rundschau“ im Auge zu behalten bat, für den Fall, daß Ihr „Literaturblatt“ versagen müßte. Zeit hat ja der Aufsatz: er kann im Sommer, im Herbst kommen, wann es der Zeitung paßt.


Beste Grüße
Ihr alter erg[e]b[ener]
[signed:] H Schenker

Floriz ist mit mir hier.

© Transcription William Drabkin, 2022

It always seemed simpler for me to ask you to write a letter of recommendation to the editor of the “literary column” (not of the feuilleton) at the Neue Freie Presse , or to one of the editors of the Österreichischer Rundschau . Instead, I am making it more complicated, as you can see, only to give greater strength to my and your recommendation. 1 I want to avoid your mistrusting my recommendation and, on the other hand, also to put you in the comfortable position (if recommending an essay can ever be called a comfortable business!) of giving the recommendation in good conscience.

First of all, the essay.

It offers such an outstanding and new reading of Byron’s Manfred, that it is a joy to follow the author through this age-old problem. The second part of the essay is so convincing that it is a wonder that all these subtle, freest relationships were not perceived long ago, or that they were exposed by others! The author gave me the chance to examine the secondary literature cited in the article, {2} and I can thus attest, from my own awareness, to the complete novelty of what is basically such a simple solution. That Manfred had hitherto been read so incorrectly, so inartistically, is something I would never have believed had I not seen it in the major studies with my own eyes; and then I also thought that ultimately even the works of Beethoven, and of Bach and Brahms are still [incorrectly understood] by the sprightly gentlemen of letters; and that, to quote your profession, least of all do the Muthers, the Meier-Graefes, and the Frimmels give the correct information about the pictures that they describe. 2 Everywhere, everywhere the same thing: people do not see, they do not hear, they cannot read, etc.

It is embarrassing that it had to be left to a woman – for the author is of the female gender – to reveal the secret of the drama. And as an inveterate opponent of woman in the intellectual field, I would have never admitted the worth of her work if I had not myself been convinced of it, as I said, in the most embarrassing way. And as the woman is, moreover, a friend of mine, {3} – an old one (she is already 54 years old 3 ) – that would surely have also prevented me from attaching any value to the thing. Some time ago, I gave the lady a few articles about Spenser, Mach and others in the Revue and Die Zeit – and this is the first piece of work that she would like to publish in many, many years. I say that so that you will understand that she is less a “writer” by profession and can in no way threaten the Crüwells, Sil Varas, and Leon Kellners of the world with competition; 4 rather, she has taken on the study of Manfred of her own volition, as an act of love, and has now put together an essay. You should also become acquainted with the content of the essay because it is not improbable that the woman, a defenseless authoress, could simply be betrayed about her work by an editor who is less kind, as I myself experienced repeatedly with Osten, Harden, Heuberger, and Mandyczewski. 5 A Max Graf would introduce the main argument of a prolonged study on the very next day with the words “As is well known” 6 and return the study to the authoress. {4} An injustice of this sort should, if possible, be prevented by my and your joint knowledge.

The title has been devised only for sake of modesty, so that the editor will at first think that he has received only a report, a summary report on the present state of research on a problem that is still much discussed. (Recently an author, unknown to me, again took up Manfred in Fischer’s Rundschau, Berlin.) 7 If the editor has the sense to believe in the novelty of the result, then he could at any event change the title to, say, “The Manfred Problem” or something like that.

That Schumann had any inclination at all to compose Manfred remains the most astonishing thing. He, too, unfortunately read the work incorrectly, otherwise he would not have – permitted himself – to compose it.

So much for the essay and its author.

But I shall gladly use this opportunity, too, to announce that the first half-volume of my Counterpoint will shortly appear. {5} You will of course receive a copy from me. 8 The second half-volume, however, will not be published until Easter 1910. There will also follow my reckoning with the idolators, “laymen,” etc. The proof corrections to the first half volume have taken a full year, and we are still not finished. It is a pity that I could not see you in Vienna recently, but the likes 9 of Stauber, Bach are so opposed to me that I, in addition to having to teach until the late evening, could not bring myself to set foot in the coffee-house. I have often wanted to invite you to a rendezvous, just to chat with you as a like-minded soul; but I feared that you would be uncomfortable with that. Perhaps you will still be glad to hear that I am completely and utterly satisfied with the success of my works. Even to the point – which may be reckoned as the best evidence – that Universal Edition is paying me the fees that I myself ask for. And more than that: the Director offered me {6} a yearly stipend if I were to work solely for that publishing house. Has anything like that previously happened in Vienna? Naturally I did not agree to it, as the annuity would certainly not have been sufficiently large for me to suffer the lowering of the fees. I would prefer the greatly enhanced fees. And so at the moment I am in the agreeable position of making a critical edition of Bach’s Chromatic Fantasy and Fugue for Universal Edition, which will appear in the autumn in place of Busoni’s edition and is supposed to be taken up by the Academy. For the first time, then, objective commentary will appear alongside a work by Bach. Just imagine, Director Bopp – whom I don’t know myself – requested an edition of the Well-Tempered Clavier with commentary from me. 10 He approached me indirectly, through the Director of Universal Edition; but I have turned down this large piece work for the time being because I have something more important to publish: The Decline of the Art of Composition (as volume III). 11 {7} Moreover, Universal Edition wanted to get this volume from me, too, to tear me away from Cotta – but all that belongs to the future. Even Heuberger, one of the greatest swindlers of all, admitted to me that Bopp is extremely partial to my work. And so I am completely submerged in work: both for Cotta, and on the Chromatic Fantasy . Perhaps things will continue to go better with my income, perhaps … it is high time that I make a success of my life.

But enough for now. Cheer me with a few lines, and above all do not forget that I am keeping you in mind also for the Österreichische Rundschau , in case the “literature column” should refuse. There is indeed time for the essay: it can appear in the summer, in the autumn, as suits the newspaper.


Best greetings from
your old, devoted
[signed:] H. Schenker

Floriz is with me here.

© Translation William Drabkin, 2022

Es schien immer einfacher, daß ich Sie um die Empfehlung eines Aufsatzes an den Redakteur des „Literaturblattes“ (nicht des Feuilletons!) in der „N. fr. Pr“, oder an einen der Herausgeber der „Österr. Rdschau“ ersucht hätte; indessen mach’ ich es, wie Sie sehen, Kompliziertes, nur um meine u. Ihre Empfehlung besser zu fundieren. 1 Ich möchte es vermeiden, daß Sie meine Empfehlung mistrauen, u. andererseits auch Sie selbst in die bequeme Lage versetzen (wenn überhaupt einen Aufsatz zu empfehlen, ein bequemes Geschäft ja zu nennen ist!), mit guten Gewissen die Empfehlung zu geben.

Zunächst vom Aufsatz.

Er bringt ein so ausgezeichnetes u. neues Lesen des „Manfred“ von Byron zum Ausdrucke, daß es eine Freude ist, endlich mit dem Autor hinter dieses uralte Problem dahin zu kommen. Der Theil II des Aufsatzes ist so überzeugend, daß man sich wundert, nicht schon früher selbst all diese feinen u. freiesten Beziehungen wahrgenommen, oder von Anderen sie blosgelegt erhalten zu haben! Der Autor gab mir Gelegenheit, die im Aufsatz citierte Lite- {2} ratur selbst zu kontrollieren, und ich kann daher die völlige Neuheit des im Grunde gar so einfachen Resultates aus eigener Wahrnehmung bestätig t en . Daß man „Manfred“ bis nun so falsch, so unkünstlerisch auffasste, würde ich nie geglaubt haben, wenn ich es in den Hauptwerken nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, u. da fiel mir dann auch ein, daß ja schließlich auch die Beethoven schen Werke, oder die von Bach, Brahms noch des rüstigen Leserherren, u. daß so auch – um Ihr Fach zu citieren – am allerwenigesten gerade die Muthers’, Meier-Gräfes’, Frimmels’ von den Bildern richtige Auskunft geben, die sie beschreiben. 2 Überall, überall dasselbe: Die Menschen sehen nicht, hören nicht, sie können nicht lesen u.s.w.

Es ist beschämend, daß es einer Frau – diesem Geschlechtes gehört nämlich der Autor an – vorbehalten sein müßte, das Geheimnis des Dramas zu lüften. Und als eingefleischter Gegner der Frau auf geistigem Gebiete würde ich niemals dem Wert der Arbeit zugeben, wenn ich mich vom [recte von] de[m]selben, wie gesagt, nicht aufs Peinlichste selbst würde überzeugt haben. Und daß die Frau obendrein gar eine Freundin von mir ist, {3} – eine alte (sie zählt schon 54 Jahre 3 ) – würde mich sicher auch gehindert haben, der Sache einen Wert beizulegen. Seinerzeit habe ich der Dame einige Aufsätze über Spencer [sic], Mach u.s.w. in der „ Revue “, „Zeit“ vermittelt, – seit vielen, vielen Jahren ist diese Arbeit die erste, die sie publizieren mochte. Ich sage es, damit Sie wissen, dass sie weniger „Schriftstellerin“ von Beruf ist u. die „Crüwells, Sil Varas, Leon Kellner u. s.w. keineswegs mit Konkurrenz bedrohen will, 4 daß sie vielmehr der Sache zu Liebe die Studien über „Manfred“ auf sich genommen und nun einen Aufsatz dargelegt hat. Auch sollen Sie den Inhalt des Aufsatzes schon darum kennen lernen, weil es nur nicht unwahrscheinlich vorkommt, daß die Frau, eine wehrlose Autorin, von einem minder netten Redakteur einfach um ihre Arbeit betrogen werden könnte, wie es mir selbst wiederholt mit Osten, Harden, Heuberger, Mandyczewski passiert ist. 5 Ein Max Graf würde am nächsten Tage mit „Bekanntlich“ 6 die Pointe einer andauernden Arbeit, die fremdes Eigentum ist, einleiten, u. der Autorin ihren Aufsatz zurückgeben. {4} Eine solche Ungerechtigkeit soll nach Möglichkeit nun durch mein u. Ihr Mitwissen verhindert werden.

Der Titel ist nur der Bescheidenheit halber so gesetzt worden, damit der Redakteur fürs Erste glaube, nur einen Bericht, einen summarischen Bericht über den gegenwärtigen Stand des noch immer vielerörterten Problems erhalten zu haben. (Vor Kurzem beschäftige sich ein mir unbekannter Autor in der Fischer’schen Rdbl. [sic], Berlin, 7 wieder mit „Manfred“). Würde der Redaktor Einsicht haben, die Neuheit des Resultates zu glauben, so könnte er dann allenfalls den Titel ändern, wie z.B. das „Manfred-Problem“, aus dem Werke selbst erschlossen, – oder ähnlich.

Das Schumann „Manfred“ zu komponieren überhaupt Lust fand, bleibt das Verwunderlichste. Auch er hat das Werk leider falsch gelesen, sonst hätte er es nicht komponieren – dürfen.

So viel vom Aufsatz u. dessen Autor.

Gerne benütze ich aber diese Gelegenheit auch dazu, Ihnen den ersten Halbband des Kontrapunktes für die {5} nächste Zeit in Aussicht zu stellen. Sie erhalten selbstverständlich ein Exemplar von mir. 8 Der 2. Halbband dürfte aber erst zu Ostern 1910 herauskommen. Dort erfolgt auch die Abrechnung mit den Götzen, „Laien“, u.s.w. Ein volles Jahr dauern schon die Korrekturen des I. Halbbandes, u. wir sind noch nicht fertig. Schade, daß ich Sie in Wien in der letzten Zeit nicht sehen konnte, aber die Garnitur: 9 Stauber, Bach etc., widerstehen mir so, daß ich, der ich übrigens bis in den späten Abend hinein zu unterrichten habe, es nicht über mich bringen kann, noch ins Caféhaus einzutreten. Oft genug wollte ich Sie zu einem Rendezvous bitten, nur um mit Ihnen zu plaudern, als dem Gleichgesinnten, aber ich fürchtete, Ihnen damit unbequem zu werden. Vielleicht freut es Sie doch, um von mir selbst zu erfahren, daß ich mit den Erfolgen meiner Arbeiten ganz u. gar zufrieden bin. Sogar, was als bester Beweis gelten mag, die „Universal-Edition“ zahlt mir die Honorare, wie ich sie fordere. Und mehr als das: der Direktor bot mir {6} – – ein Jahresrente an, nur damit ich für die Edition arbeite. Ist Ähnliches in Wien schon vorgekommen? Ich gieng natürlich darauf nicht ein, weil ich die Rente sicher nicht im nötigen Ausmaß erhalten hätte, um die Herabsetzungen der Honorare erleiden zu können. Mir sind die stark erhöhten Honorare lieber. Und so bin ich augenblicklich in der angenehmen Lage, zu Bach’s „Chrom. Fantasie u. Fuge“ Erläuterungen für die „U. E.“ zu verfassen, die im Herbst an Stelle von Busoni’s Ausgabe erscheinen u. in der Akademie angenommen werden sollen. Zum ersten Mal würden dann zu Bach sachliche Kommentare erscheinen, u. ich freue mich sehr, sehr auf diese Arbeit. Denken Sie, Dir. Bopp , den ich selbst nicht kenne, wünschte sogar eine Ausgabe des „Wohl-temperierten Klaviers“ mit Erläuterungen von mir, indirekt durch den Direktor der „U. E.“, 10 ich habe aber vorläufig diese große Arbeit abgelehnt, weil ich eine noch wichtigere,: „Der Niedergang der Kompositionskunst“ (als Bd. III) 11 {7} zu publizieren habe. Übrigens hat die „U. E.“ auch diesen Band mir abnehmen wollen, um mich von Cotta loszutrennen, – doch das Alles gehört späteren Jahren an. Selbst Heuberger, der Fallottensten Einer, gestand mir zu, daß Bopp für meine Arbeiten sehr, sehr eingenommen ist. Und so stecke ich ganz in Arbeit, hier für Cotta, dort die „chrom. Fantasie“. Vielleicht wird es mit dem Geldertrag immer besser, vielleicht . . Es wäre höchste Zeit, daß ich auf einem grünen Zweig komme.

Nun aber genug. Erfreuen Sie mich mit Paar Zeilen, u. vor allem vergessen Sie nicht, daß ich Sie auch die „Öster. Rundschau“ im Auge zu behalten bat, für den Fall, daß Ihr „Literaturblatt“ versagen müßte. Zeit hat ja der Aufsatz: er kann im Sommer, im Herbst kommen, wann es der Zeitung paßt.


Beste Grüße
Ihr alter erg[e]b[ener]
[signed:] H Schenker

Floriz ist mit mir hier.

© Transcription William Drabkin, 2022

It always seemed simpler for me to ask you to write a letter of recommendation to the editor of the “literary column” (not of the feuilleton) at the Neue Freie Presse , or to one of the editors of the Österreichischer Rundschau . Instead, I am making it more complicated, as you can see, only to give greater strength to my and your recommendation. 1 I want to avoid your mistrusting my recommendation and, on the other hand, also to put you in the comfortable position (if recommending an essay can ever be called a comfortable business!) of giving the recommendation in good conscience.

First of all, the essay.

It offers such an outstanding and new reading of Byron’s Manfred, that it is a joy to follow the author through this age-old problem. The second part of the essay is so convincing that it is a wonder that all these subtle, freest relationships were not perceived long ago, or that they were exposed by others! The author gave me the chance to examine the secondary literature cited in the article, {2} and I can thus attest, from my own awareness, to the complete novelty of what is basically such a simple solution. That Manfred had hitherto been read so incorrectly, so inartistically, is something I would never have believed had I not seen it in the major studies with my own eyes; and then I also thought that ultimately even the works of Beethoven, and of Bach and Brahms are still [incorrectly understood] by the sprightly gentlemen of letters; and that, to quote your profession, least of all do the Muthers, the Meier-Graefes, and the Frimmels give the correct information about the pictures that they describe. 2 Everywhere, everywhere the same thing: people do not see, they do not hear, they cannot read, etc.

It is embarrassing that it had to be left to a woman – for the author is of the female gender – to reveal the secret of the drama. And as an inveterate opponent of woman in the intellectual field, I would have never admitted the worth of her work if I had not myself been convinced of it, as I said, in the most embarrassing way. And as the woman is, moreover, a friend of mine, {3} – an old one (she is already 54 years old 3 ) – that would surely have also prevented me from attaching any value to the thing. Some time ago, I gave the lady a few articles about Spenser, Mach and others in the Revue and Die Zeit – and this is the first piece of work that she would like to publish in many, many years. I say that so that you will understand that she is less a “writer” by profession and can in no way threaten the Crüwells, Sil Varas, and Leon Kellners of the world with competition; 4 rather, she has taken on the study of Manfred of her own volition, as an act of love, and has now put together an essay. You should also become acquainted with the content of the essay because it is not improbable that the woman, a defenseless authoress, could simply be betrayed about her work by an editor who is less kind, as I myself experienced repeatedly with Osten, Harden, Heuberger, and Mandyczewski. 5 A Max Graf would introduce the main argument of a prolonged study on the very next day with the words “As is well known” 6 and return the study to the authoress. {4} An injustice of this sort should, if possible, be prevented by my and your joint knowledge.

The title has been devised only for sake of modesty, so that the editor will at first think that he has received only a report, a summary report on the present state of research on a problem that is still much discussed. (Recently an author, unknown to me, again took up Manfred in Fischer’s Rundschau, Berlin.) 7 If the editor has the sense to believe in the novelty of the result, then he could at any event change the title to, say, “The Manfred Problem” or something like that.

That Schumann had any inclination at all to compose Manfred remains the most astonishing thing. He, too, unfortunately read the work incorrectly, otherwise he would not have – permitted himself – to compose it.

So much for the essay and its author.

But I shall gladly use this opportunity, too, to announce that the first half-volume of my Counterpoint will shortly appear. {5} You will of course receive a copy from me. 8 The second half-volume, however, will not be published until Easter 1910. There will also follow my reckoning with the idolators, “laymen,” etc. The proof corrections to the first half volume have taken a full year, and we are still not finished. It is a pity that I could not see you in Vienna recently, but the likes 9 of Stauber, Bach are so opposed to me that I, in addition to having to teach until the late evening, could not bring myself to set foot in the coffee-house. I have often wanted to invite you to a rendezvous, just to chat with you as a like-minded soul; but I feared that you would be uncomfortable with that. Perhaps you will still be glad to hear that I am completely and utterly satisfied with the success of my works. Even to the point – which may be reckoned as the best evidence – that Universal Edition is paying me the fees that I myself ask for. And more than that: the Director offered me {6} a yearly stipend if I were to work solely for that publishing house. Has anything like that previously happened in Vienna? Naturally I did not agree to it, as the annuity would certainly not have been sufficiently large for me to suffer the lowering of the fees. I would prefer the greatly enhanced fees. And so at the moment I am in the agreeable position of making a critical edition of Bach’s Chromatic Fantasy and Fugue for Universal Edition, which will appear in the autumn in place of Busoni’s edition and is supposed to be taken up by the Academy. For the first time, then, objective commentary will appear alongside a work by Bach. Just imagine, Director Bopp – whom I don’t know myself – requested an edition of the Well-Tempered Clavier with commentary from me. 10 He approached me indirectly, through the Director of Universal Edition; but I have turned down this large piece work for the time being because I have something more important to publish: The Decline of the Art of Composition (as volume III). 11 {7} Moreover, Universal Edition wanted to get this volume from me, too, to tear me away from Cotta – but all that belongs to the future. Even Heuberger, one of the greatest swindlers of all, admitted to me that Bopp is extremely partial to my work. And so I am completely submerged in work: both for Cotta, and on the Chromatic Fantasy . Perhaps things will continue to go better with my income, perhaps … it is high time that I make a success of my life.

But enough for now. Cheer me with a few lines, and above all do not forget that I am keeping you in mind also for the Österreichische Rundschau , in case the “literature column” should refuse. There is indeed time for the essay: it can appear in the summer, in the autumn, as suits the newspaper.


Best greetings from
your old, devoted
[signed:] H. Schenker

Floriz is with me here.

© Translation William Drabkin, 2022

Footnotes

1 This undated letter begins with a discussion of an essay on Byron’s Manfred, which is resumed in the first paragraph of Schenker’s letter of July 17, 1909 (WSLB-Hds 94476). It must therefore predate that letter by several days.

2 Three important art critics and historians. Richard Muther (1860–1909) was the author of numerous monographs on famous painters; his five-volume Geschichte der Malerei (1899–1900) was to be the subject of a feuilleton by Seligmann published in the Neue Freie Presse a few months later (December 3, 1909). Julius Meier-Graefe (1867–1935) helped promote the reputations of Caspar David Friedrich and El Greco. Theodor von Frimmel (1853–1928), assistant curator at the Imperial Natural History Museum until 1893, would have been better known to Schenker as a Beethoven scholar.

3 In September 1900 Schenker stated that his patron and friend Mrs. Irene Mayerhofer (Graedener) was aged 46 (OJ 6/3, [18]). Since she would have been 54 or 55 by July 1909, she can be put forward as a possible candidate for authorship of the article in question.

4 Leon Kellner (1859–1928) was a Polish-born scholar of English literature, active in the Austrian Empire. Sil-Vara was the pen name of the Austrian writer Geza Silberer (?1876–1938), journalist for the Neue Freie Presse and author of Englische Staatsmänner (1910). Gottlieb August Crüwell (1866–1931), born in Ceylon but raised in Austria, developed a keen interest in English literature; he eventually became Director of the University of Vienna Library.

5 Heinrich Osten was one of the editors of Neue Revue, Maximilian Harden the founder of Die Zunkunft ; both published early essays and reviews by Schenker. Richard Heuberger (1850–1914) was a prominent Viennese music critic. Eusebius Mandyczewski (1857–1929) was for forty years the Archivist at the Gesellschaft der Musikfreunde.

6 With the word “bekanntlich” in quotation marks, Schenker is here alluding to the journalist Max Graf’s purported inclination to appropriate the ideas of others – in particular Schenker’s own – without proper acknowledgement. See for instance the diary entry of November 26, 1910: “Dr. Max Graf's latest book […] cites my Theory of Harmony ‒ although in journalistic fashion, needless to say ‒ not at the more important passage where the theft of the main points occurs and was bound to discredit the thief, but with regard to entirely irrelevant material concerning enharmonic modulation. As a result, the theft itself is very effectively masked, and the reader assumes that the central issue belongs to the author himself, the subordinate issue to another author who is merely cited.”

7 A literary journal published by S. Fischer-Verlag, Berlin since the 1890s, and issued under the title Die neue Rundschau since 1904.

8 Kontrapunkt 1 was released on October 4, 1910, and Seligmann quotes from its Preface in a Neue freie Presse feuilleton of October 13 (OJ 14/23, [15], October 14), so must have received a complimentary copy between those dates, though correspondence to the publisher, J. G. Cotta, in which Schenker requested copies to be sent to critics did not include Seligmann’s name.— Schenker forwarded Seligmann’s feuilleton to the publisher (CA 132, October 13, 1910), who responded that they were retaining the clipping, hence it does not appear in Schenker’s scraphook, OC 2.

9 “Garnitur”: a set of objects, here used in the pejorative sense with reference to a group writers known to Schenker. Paul Stauber (1876–1918) was the music critic of the Illustrirtes Wiener Extrablatt . David Josef Bach (1874–1947) was an influential music critic, and an ardent socialist who organized the Workers’ Symphony Concerts in Vienna in 1905. In 1917 he became the Editor-in-Chief of the literature and art section of the Arbeiter-Zeitung .

10 The plan for an edition by Schenker of the Well-tempered Clavier Book II, to complement the edition of Book I by Busoni, for use by the Academy, was hatched by Emil Hertzka with Wilhelm Bopp in December 1908 (OC 52/399-401). Schenker rejected the plan immediately (WSLB 31), although Hertzka still nursed hopes of it in January 1909 (OC 52/919).

11 Schenker’s “Über den Niedergang der Kompositionskunst” (“The Decline of the Art of Composition”), initially conceived as an epilogue to his Harmonielehre , was set aside while he worked on the two half-volumes of Kontrapunkt from 1907 to 1909. At this stage, he was planning to have it appear as the third volume of his series of theoretical books ( Neue musikalische Theorien und Phantasien ), but it remained unpublished in his lifetime.