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DLA 69.930/4 - Handwritten letter from Schenker to Halm, dated December 9, 1918
Vor 1 zwei Jahren ist eine Schülerin von mir verstorben, eine ältere Dame, die etwa 16 Jahre hindurch meinen Unterricht genoß. Sie hinterließ ein Testament, in dem sie einen Verein zum Haupterben einsetzte, daneben aber auch 2 Stipendien für Künstler errichtete, über die zu verfügen sie ausschließlich mir allein auftrug. Wäre die musikalische Gegenwart nicht so trostlos, welche Freude müßte es da einem 2 bereiten, vom Vertrauen der Erblasserin getragen, überall dort beizuspringen, wo Hindernisse (Verleger!) diesen oder jenen Plan lähmen! So aber hatte ich wenig Neigung, das schöne Amt mich zu nehmen, wie ich auch in einem anderen Falle es abgelehnt habe, mit unserem Musikhistoriker Prof. Guido Adler das Jury-Amt zu teilen. 3 Doch gelang es dem Bruder der Erblasserin sowie dem Testamentsexecutor mich zumindest zu einem Versuch zu überreden. Ich faßte nun dies Künstler ins Auge u. harrte der ersten Gelder der Verlassenschaft 4 , um zur Tat zu schreiten. Da kamen aber allerhand (mir fremd gebliebene) Verwicklungen in die Verlassenschaftsabhandlung, die bewirkten, daß diese noch bis zur Stunde das Gericht beschäftigt, u. daß auch die Stiftung der Stipendien {2} überhaupt ganz ins Wasser gefallen. Obzwar der Bruder der verstorbenen Dame einer der reichsten Großindustriellen Österreichs ist, fiel es ihm dennoch nicht ein, die Konsequenz aus seiner ersten Geltung zu ziehen. 5 Glücklicherweise hat mich eine andere reiche Schülerin, die zu mir nun über 18 Jahre kommt, in die Lage versetzt, mir selbst Wort zu halten in jenen [illeg] Fällen, die ich im Auge hatte. Am 5. Januar als am Todestage der Erblasserin soll der Betrag zur Auszahlung kommen. Und da frage ich Sie nun, ob es Ihnen angenehm wäre, wenn ich Ihnen um diese Zeit den Betrag von 1600 Kronen für Ihre Zwecke überweisen würde? Im Vorjahre hat das noch über 1000 Mk. ausgemacht; ob bei dem niedrigen Kurse der Kronen auch heuer 6 derselbe Betrag in Mk. sich ergeben wird, weiß ich nicht. Indem ich Sie um Ihre frdl. Zustimmung bitte, erbitte ich zugleich Auskunft, auf welche Weise ich Ihnen die Summe zukommen lassen könnte. Haben Sie vielleicht hier in Wien einen Vertrauensmann? Wenn nicht, würde ich den Versuch machen, durch eine Bank die Erlaubnis (eine solche ist nämlich unter allen Umständen nötig) von der maßgebenden Stelle zu erlangen. Ich frage, wie Sie sehen, schon heute an, um, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, sobald als möglich die Sache in Angriff zu nehmen. Der Sicherheit halber bitte ich Sie auch Ihre Antwort an {3} mich eingeschrieben zu senden. Sind Sie in Ihren Arbeiten doch die Verhältnisse sehr gehemmt, oder gewinnen Sie Oberhand über die unsäglich traurige Verwirrung in politischen Dingen, die meines Erachtens, wie die musikalische auf R. Wagner, lediglich auf K. Marx zurückzuführen ist? 7 Mit besten Gruß Ihr sehr ergebener [signed:] H Schenker Wien, 9. Dezember 1918 © Transcription Ian Bent and Lee Rothfarb, 2006 |
Two 1 years ago a female student of mine died, an older women who had the benefit of my instruction for sixteen years. She left a will in which she designated an association as primary beneficiary, as well as established two stipends for artists, the disposition of which she assigned exclusively to me. If the present circumstances in music were not so hopeless, what happiness it would have to bring for someone, 2 supported by the trust of the deceased, to jump to aid wherever obstacles (publishers!) foil this or that plan! However, I had little desire to take on the pleasant duty, just as in another case I declined to share jury duty with our music historian, Professor Guido Adler. 3 But the brother of the deceased woman and the executor of the will succeeded at least in coaxing me into a trial. I had some artists in mind and awaited the first distribution of money 4 from the bequest in order to take action. However, all manner of complications (external to me) came up in the handling of the bequest, such that it still occupies the court up to this moment, and such that the endowment of the stipends {2} has fallen through altogether. Even though the brother of the deceased woman is one of Austria’s richest big industrialists, it nevertheless did not occur to him to take advantage of his high rank in society. 5 Fortunately, another rich female student, who has been coming to me for over eighteen years, has put me in the position of keeping my word in those cases that I had in mind. On January 5, as the death date of the deceased, the amount is to be paid out. I therefore ask you whether it would be agreeable if around that time I were to transfer the sum of 1,600 Kronen to you for your purposes? Last year, that still amounted to over 1,000 Marks. With the low exchange rate of Kronen, I do not know whether this year 6 the same amount in Marks would result. In asking for your friendly consent, I also request information as to what manner I could convey the sum to you. Do you perhaps have a representative here in Vienna? If not, I would make an attempt to secure permission from the regulatory agency (such is of course necessary in all circumstances). As you see, assuming your consent, I am inquiring today in order to undertake the matter as soon as possible. To be safe, I ask that you send your reply to me {3} by registered mail. Are the circumstances of your activities very constrained, or are you getting the upper hand on the untold woeful confusion in political matters, which in my opinion is to be traced solely to Karl Marx, just as the musical confusion is to be traced to Richard Wagner. 7 With cordial greetings, Yours very truly, [signed:] H. Schenker Vienna, December 9, 1918 © Translation Lee Rothfarb, 2006 |
Vor 1 zwei Jahren ist eine Schülerin von mir verstorben, eine ältere Dame, die etwa 16 Jahre hindurch meinen Unterricht genoß. Sie hinterließ ein Testament, in dem sie einen Verein zum Haupterben einsetzte, daneben aber auch 2 Stipendien für Künstler errichtete, über die zu verfügen sie ausschließlich mir allein auftrug. Wäre die musikalische Gegenwart nicht so trostlos, welche Freude müßte es da einem 2 bereiten, vom Vertrauen der Erblasserin getragen, überall dort beizuspringen, wo Hindernisse (Verleger!) diesen oder jenen Plan lähmen! So aber hatte ich wenig Neigung, das schöne Amt mich zu nehmen, wie ich auch in einem anderen Falle es abgelehnt habe, mit unserem Musikhistoriker Prof. Guido Adler das Jury-Amt zu teilen. 3 Doch gelang es dem Bruder der Erblasserin sowie dem Testamentsexecutor mich zumindest zu einem Versuch zu überreden. Ich faßte nun dies Künstler ins Auge u. harrte der ersten Gelder der Verlassenschaft 4 , um zur Tat zu schreiten. Da kamen aber allerhand (mir fremd gebliebene) Verwicklungen in die Verlassenschaftsabhandlung, die bewirkten, daß diese noch bis zur Stunde das Gericht beschäftigt, u. daß auch die Stiftung der Stipendien {2} überhaupt ganz ins Wasser gefallen. Obzwar der Bruder der verstorbenen Dame einer der reichsten Großindustriellen Österreichs ist, fiel es ihm dennoch nicht ein, die Konsequenz aus seiner ersten Geltung zu ziehen. 5 Glücklicherweise hat mich eine andere reiche Schülerin, die zu mir nun über 18 Jahre kommt, in die Lage versetzt, mir selbst Wort zu halten in jenen [illeg] Fällen, die ich im Auge hatte. Am 5. Januar als am Todestage der Erblasserin soll der Betrag zur Auszahlung kommen. Und da frage ich Sie nun, ob es Ihnen angenehm wäre, wenn ich Ihnen um diese Zeit den Betrag von 1600 Kronen für Ihre Zwecke überweisen würde? Im Vorjahre hat das noch über 1000 Mk. ausgemacht; ob bei dem niedrigen Kurse der Kronen auch heuer 6 derselbe Betrag in Mk. sich ergeben wird, weiß ich nicht. Indem ich Sie um Ihre frdl. Zustimmung bitte, erbitte ich zugleich Auskunft, auf welche Weise ich Ihnen die Summe zukommen lassen könnte. Haben Sie vielleicht hier in Wien einen Vertrauensmann? Wenn nicht, würde ich den Versuch machen, durch eine Bank die Erlaubnis (eine solche ist nämlich unter allen Umständen nötig) von der maßgebenden Stelle zu erlangen. Ich frage, wie Sie sehen, schon heute an, um, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, sobald als möglich die Sache in Angriff zu nehmen. Der Sicherheit halber bitte ich Sie auch Ihre Antwort an {3} mich eingeschrieben zu senden. Sind Sie in Ihren Arbeiten doch die Verhältnisse sehr gehemmt, oder gewinnen Sie Oberhand über die unsäglich traurige Verwirrung in politischen Dingen, die meines Erachtens, wie die musikalische auf R. Wagner, lediglich auf K. Marx zurückzuführen ist? 7 Mit besten Gruß Ihr sehr ergebener [signed:] H Schenker Wien, 9. Dezember 1918 © Transcription Ian Bent and Lee Rothfarb, 2006 |
Two 1 years ago a female student of mine died, an older women who had the benefit of my instruction for sixteen years. She left a will in which she designated an association as primary beneficiary, as well as established two stipends for artists, the disposition of which she assigned exclusively to me. If the present circumstances in music were not so hopeless, what happiness it would have to bring for someone, 2 supported by the trust of the deceased, to jump to aid wherever obstacles (publishers!) foil this or that plan! However, I had little desire to take on the pleasant duty, just as in another case I declined to share jury duty with our music historian, Professor Guido Adler. 3 But the brother of the deceased woman and the executor of the will succeeded at least in coaxing me into a trial. I had some artists in mind and awaited the first distribution of money 4 from the bequest in order to take action. However, all manner of complications (external to me) came up in the handling of the bequest, such that it still occupies the court up to this moment, and such that the endowment of the stipends {2} has fallen through altogether. Even though the brother of the deceased woman is one of Austria’s richest big industrialists, it nevertheless did not occur to him to take advantage of his high rank in society. 5 Fortunately, another rich female student, who has been coming to me for over eighteen years, has put me in the position of keeping my word in those cases that I had in mind. On January 5, as the death date of the deceased, the amount is to be paid out. I therefore ask you whether it would be agreeable if around that time I were to transfer the sum of 1,600 Kronen to you for your purposes? Last year, that still amounted to over 1,000 Marks. With the low exchange rate of Kronen, I do not know whether this year 6 the same amount in Marks would result. In asking for your friendly consent, I also request information as to what manner I could convey the sum to you. Do you perhaps have a representative here in Vienna? If not, I would make an attempt to secure permission from the regulatory agency (such is of course necessary in all circumstances). As you see, assuming your consent, I am inquiring today in order to undertake the matter as soon as possible. To be safe, I ask that you send your reply to me {3} by registered mail. Are the circumstances of your activities very constrained, or are you getting the upper hand on the untold woeful confusion in political matters, which in my opinion is to be traced solely to Karl Marx, just as the musical confusion is to be traced to Richard Wagner. 7 With cordial greetings, Yours very truly, [signed:] H. Schenker Vienna, December 9, 1918 © Translation Lee Rothfarb, 2006 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 2/12, p. 2019, December 8, 1918: "An Halm (recomm. Br.): frage wegen des Stipendiums an, dessen Geschichte ich kurz erzähle, zum Beschluß Wagner-Marx-Parallele." ("To Halm (registered letter"): I ask about the stipend, the story of which I briefly recount; at the end, Wagner-Marx parallel."). 2 "einem“: i.e. Schenker, using the impersonal pronoun to refer to himself. 3 The Rothschild Artists’ Foundation had written to Schenker on December 3, 1916, inviting him to join its panel of jury members along with Guido Adler and Alfred Grünfeld (OJ 12/26, [2]). Schenker declined. The President of the Jewish Community wrote to Schenker regretting his decision (Federhofer, Heinrich Schenker nach Tagebüchern und Briefen ..., p.54, n.8). 4 Verlassenschaft: Austrian for Hinterlassenschaft. 5 The translation of this last clause is admittedly interpretive; its literal meaning is more like: "it still did not occur to him [i.e. Mendl] to draw the consequence from his initial importance." 6 „heuer“: South German and Austria usage. 7 This paragraph is quoted in Federhofer, Heinrich Schenker nach Tagebüchern und Briefen ..., p.139, saying. Schenker's antipathy to Wagner, latent in Harmonielehre (1906), emerged clearly first in the unpublished Über den Niedergang der Kompositionskunst (c. 1906-09), and his critique of Wagner continued in his Beethovens Neunte Sinfonie and Der Tonwille; Wagner is brought into conjunction with Marx in the latter: "In shattering the Urlinie and destroying musical truth, Wagner readied a fate for music similar to that which Karl Marx readied for society by demolishing every tradition and the truths that rested therein ..." (Tw1, p.25; trans., I, p.24). Halm, on the other hand, while considering Bruckner to be the epitome of high romanticism, held Wagner in high regard. This is a matter on which Schenker and Halm held sharply differing opinions. |