3. Dez. 33

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Nun ist endlich der Hauptteil meiner Arbeit 2 an den Verleger gegangen – nach mancherlei Umänderungen, wobei freilich der Umfang etwas gewachsen ist, hoffentlich nicht in solchem Maß, daß der Verleger es beanständet [recte beanstandet] . Und doch mußte ja noch immer so vieles – vielleicht das Beste? – ungesagt bleiben. Nun es ist aber doch wenigstens so, daß man in einem neuen Band daran anknüpfen und manche Teile vertiefen kann. Bei einer wirklich erschöpfenden Darstellung wäre ja mindestens der doppelte Umfang notwendig gewesen. Nun beläuft sich das ganze doch auf ca 180 Maschinseiten und dann 250 Notenbeispiele. Ja, wenn man hier nur {2} unter etwas günstigeren Umständen arbeiten könnte, aber die Nerven sind furchtbar in Anspruch genommen und wollen nicht immer mehr recht mit. – 3

Wie wohl die Verhältnisse in Wien sein mögen! Ich habe so gar keine richtige Vorstellung. – 4

Dr Furtw. sprach ich neulich in einer Probe – er versicherte mir, daß er das Buch an Prof. Stein geben würde und für die Hochschule empfehlen. Im übrigen ist es zu der seit Mitte Juli (!) in Ansicht gestellten Zusammenkunft bis jetzt nicht gekommen. Trotz wiederholten Anrufen etc. Nur ganz flüchtig einmal in Probe und Konzert. Freilich muß man zugeben, daß F. sehr überbürdet ist, besonders in der Oper und mit sonstigen {3} Besprechungen etc. Aber immerhin . . . . !

An Herrn van Hoboken habe ich vor ca 4 Wochen geschrieben, bis heute aber keine Zeile seiner Erwiderung erhalten. Sollte er doch noch nicht nach Wien gekommen sein. Ich bin ja neugierig, wo er und doch sich zur Ruhe setzen wird. – 5

Ich selbst lebe hier augenblicklich ziemlich zurückgezogen, in Konzerte bis auf einige Furtw. gehe ich überhaupt nicht, und freue mich nur an den Stunden einiger Schüler, denen man ein klein bisschen etwas geben kann. –

Wie geht es Ihnen, verehrter Herr Doktor? Sind Sie mit Ihrer Gesundheit zufrieden? Wie steht es in Wien eigentlich mit Schülern? Interessieren geistige Angelegenheiten noch? Und dann: ist der freie Satz {4} schon in Druck gegangen?

Entschuldigen Sie bitte diese vielen Fragen. Empfehlen Sie mich bitte sehr Ihrer werten Frau Gemahlin und seien Sie selbst in aller Verehrung gegrüßt von


Ihrem ergebensten
[signed:] Oswald Jonas

Grußen [sic] Sie bitte die „Seminariste

© Transcription John Rothgeb & Heribert Esser, 2006, 2011


December 3, 1933

Greatly revered Dr. Schenker, 1

Now at last the main part of my work 2 has been sent to the publisher – after manifold revisions, including a moderate expansion in scope, not, I hope, so large that the publisher will object. And yet so much – perhaps the best part? – had still to be left unsaid. But now it is possible at least that one could continue in a new volume and treat many sections in added depth. A truly exhaustive treatment would have required almost twice the space. The whole thing now runs to about 180 typed pages and 250 musical examples. If it were only possible {2} to work here under somewhat more favorable conditions, but nerves are dreadfully stressed and no longer willing to cooperate. 3

What might the situation be in Vienna!(?) I have no proper conception at all. 4

I spoke with Dr. Furtwängler recently at a rehearsal ‒ he assured me that he would give the book to Prof. Stein and recommend it for the school. For the rest, the conference planned since mid-July (!) has still not taken place. Despite repeated telephone calls, etc. Only quite perfunctorily at rehearsal and concert. One must certainly concede that Furtwängler is very overloaded, especially in the opera and with {3} other discussions etc. But still . . . .!

I wrote to Herr van Hoboken about four weeks ago, but thus far have received no reply. Perhaps he is after all not yet returned to Vienna. I am curious where he will go and finally settle. 5

At the moment I am living somewhat in seclusion; I don’t go to concerts at all except for a few by Furtwängler, and enjoy only the lessons of a few students to whom I have just a bit to give.

How are you, revered Dr. [Schenker]? Are you satisfied with your health? How are things in Vienna in regard to students? Are intellectual matters still of interest? And too: has Free Composition {4} already gone to press?

Please forgive all of these questions. My greetings to your good wife, and be yourself greeted most respectfully by


Your most devoted
[signed:] Oswald Jonas

Please greet the "seminarians"

© Translation John Rothgeb & Heribert Esser, 2006, 2011


3. Dez. 33

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Nun ist endlich der Hauptteil meiner Arbeit 2 an den Verleger gegangen – nach mancherlei Umänderungen, wobei freilich der Umfang etwas gewachsen ist, hoffentlich nicht in solchem Maß, daß der Verleger es beanständet [recte beanstandet] . Und doch mußte ja noch immer so vieles – vielleicht das Beste? – ungesagt bleiben. Nun es ist aber doch wenigstens so, daß man in einem neuen Band daran anknüpfen und manche Teile vertiefen kann. Bei einer wirklich erschöpfenden Darstellung wäre ja mindestens der doppelte Umfang notwendig gewesen. Nun beläuft sich das ganze doch auf ca 180 Maschinseiten und dann 250 Notenbeispiele. Ja, wenn man hier nur {2} unter etwas günstigeren Umständen arbeiten könnte, aber die Nerven sind furchtbar in Anspruch genommen und wollen nicht immer mehr recht mit. – 3

Wie wohl die Verhältnisse in Wien sein mögen! Ich habe so gar keine richtige Vorstellung. – 4

Dr Furtw. sprach ich neulich in einer Probe – er versicherte mir, daß er das Buch an Prof. Stein geben würde und für die Hochschule empfehlen. Im übrigen ist es zu der seit Mitte Juli (!) in Ansicht gestellten Zusammenkunft bis jetzt nicht gekommen. Trotz wiederholten Anrufen etc. Nur ganz flüchtig einmal in Probe und Konzert. Freilich muß man zugeben, daß F. sehr überbürdet ist, besonders in der Oper und mit sonstigen {3} Besprechungen etc. Aber immerhin . . . . !

An Herrn van Hoboken habe ich vor ca 4 Wochen geschrieben, bis heute aber keine Zeile seiner Erwiderung erhalten. Sollte er doch noch nicht nach Wien gekommen sein. Ich bin ja neugierig, wo er und doch sich zur Ruhe setzen wird. – 5

Ich selbst lebe hier augenblicklich ziemlich zurückgezogen, in Konzerte bis auf einige Furtw. gehe ich überhaupt nicht, und freue mich nur an den Stunden einiger Schüler, denen man ein klein bisschen etwas geben kann. –

Wie geht es Ihnen, verehrter Herr Doktor? Sind Sie mit Ihrer Gesundheit zufrieden? Wie steht es in Wien eigentlich mit Schülern? Interessieren geistige Angelegenheiten noch? Und dann: ist der freie Satz {4} schon in Druck gegangen?

Entschuldigen Sie bitte diese vielen Fragen. Empfehlen Sie mich bitte sehr Ihrer werten Frau Gemahlin und seien Sie selbst in aller Verehrung gegrüßt von


Ihrem ergebensten
[signed:] Oswald Jonas

Grußen [sic] Sie bitte die „Seminariste

© Transcription John Rothgeb & Heribert Esser, 2006, 2011


December 3, 1933

Greatly revered Dr. Schenker, 1

Now at last the main part of my work 2 has been sent to the publisher – after manifold revisions, including a moderate expansion in scope, not, I hope, so large that the publisher will object. And yet so much – perhaps the best part? – had still to be left unsaid. But now it is possible at least that one could continue in a new volume and treat many sections in added depth. A truly exhaustive treatment would have required almost twice the space. The whole thing now runs to about 180 typed pages and 250 musical examples. If it were only possible {2} to work here under somewhat more favorable conditions, but nerves are dreadfully stressed and no longer willing to cooperate. 3

What might the situation be in Vienna!(?) I have no proper conception at all. 4

I spoke with Dr. Furtwängler recently at a rehearsal ‒ he assured me that he would give the book to Prof. Stein and recommend it for the school. For the rest, the conference planned since mid-July (!) has still not taken place. Despite repeated telephone calls, etc. Only quite perfunctorily at rehearsal and concert. One must certainly concede that Furtwängler is very overloaded, especially in the opera and with {3} other discussions etc. But still . . . .!

I wrote to Herr van Hoboken about four weeks ago, but thus far have received no reply. Perhaps he is after all not yet returned to Vienna. I am curious where he will go and finally settle. 5

At the moment I am living somewhat in seclusion; I don’t go to concerts at all except for a few by Furtwängler, and enjoy only the lessons of a few students to whom I have just a bit to give.

How are you, revered Dr. [Schenker]? Are you satisfied with your health? How are things in Vienna in regard to students? Are intellectual matters still of interest? And too: has Free Composition {4} already gone to press?

Please forgive all of these questions. My greetings to your good wife, and be yourself greeted most respectfully by


Your most devoted
[signed:] Oswald Jonas

Please greet the "seminarians"

© Translation John Rothgeb & Heribert Esser, 2006, 2011

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3881, December 4, 1933: "Von Jonas (Br.): das Buch sei in die Druckerei gegangen; Furtwängler foppe ihn; er habe Stunden; erkundigt sich nach den Verhältnissen in Wien; das Manuscript habe einen Umfang von 180 Maschinseiten, 250 Beispiele – seine Nerven wollen nicht mehr mit!!" ("From Jonas (letter): the book has gone to the printers; Furtwängler is teasing him; he is giving lessons; he inquires about the conditions in Vienna; the book manuscript has a compass of 180 typewritten pages and 250 music examples – his nerves cannot cope with it any longer!!").

2 Work on his Das Wesen des musikalischen Kunstwerks.

3 Jonas inserts an emdash, then continues without paragraph-break.

4 Jonas inserts an emdash, then continues without paragraph-break.

5 Jonas inserts an emdash, then continues without paragraph-break.