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OJ 71/21a, [2] - Typewritten letter from Tomáš Kornfeld to Heribert Esser, dated June 7, 1988
[Note: all misspellings, archaic
orthography, and typing errors have been left unchanged in this
transcription.]
⇧ || Director, The Elder Conservatorium of Music | RECEIVED | 16 JUN 1988 || ⇧ Ústí n. L., 7. 6. 1988 ⇧ Sehr geehrter Herr Professor, 1 vom Urlaub zurückgekehrt komme ich auf Ihren Brief zurük und werde Ihnen alles mitteilen, was mir bekannt ist. Viel über meine Grossmutter Jeaneth ist es aber nicht, wie sie aus meinem weiteren Bericht erfahren werden. Alle Daten, die sie interessieren, sind auf der Beilage auf dem Famielienschema, 2 die meisten haben sie ja schon gewusst. Den Namen Heinrich Schenker hörte ich zum erstenmal in Ihren Brief. Da ich aber beim durchlesen alter Karten und Briefe auf seinen Namen gestossen bin, so ist mir nun die Vergangenheit auch etwas klarer. Meine Grossmutter Jeaneth habe ich nicht gekannt. Soviel ich von ihr je erfahren habe, so hat sie die Famielie ‒ ihren Mann Emil und ihre Söhne Erich und Felix ‒ verlassen, das muss sich im Jahre 1910 / + - / abgespielt haben und ist nach Wien übersiedelt. Diese Trennung war total, alle Beziehungen zur Famielie wurden abgebrochen, sie war sozusagen für ihren Mann Emil und Söhne tabu. Zwischen Emil und Erich kam es mit ihr, niemals wieder zu einer Verbindung, nur mit meinem Vater Felix war ein sehr seltener Briefwechsel, auf den ich noch zurückkomme. Heinrich Schenker musste ein sehr guter Freund von Grossvater Emil gewesen sein, sozusagen ein Famielienfreund, was aus der alten Post zu ersehen ist, denn sie verbrachten einige gemeinsame Urlaube. Dann musste sich die Freundschaft andres entwickelt haben, wie es eben im Leben so manchmal passiert. Auszüge aus vorhandenen Postkarten, meistens aus den Alpen aus den Jahren 1903 bis 1910, alle addresiert an meinen Vater Felix:
und noch einige weitere Postkarten, daraus ist also zu schliessen, dass in den Jahren 1903 bis 1910 die Famielie mit H. Schenker einige Urlaube verbracht hatte. Rund um das Jahr 1910 muss also Grossmutter Jeaneth die Famielie verlassen haben, wann die Ehe geschieden wurde, weiss ich nicht. 3 Als weiteres Lebenszeichen aus dieser Zeit war ein Buchgeschenk zum Geburtstag meines Vaters Felix mit dieser Widmung: Zum 13. Geburtstag in Liebe und Treue von Deiner Mama ‒ Wien, 23. Juni 1912. Also diesmal schon aus Wien. Auszug aus einem Brief an Vater Felix vom 24. 9. 1917: ... solltest Du wider alles Erwarten dieses Schreiben so ignorieren wie seiner Zeit Brief und Sendung zu Deinem 13. Geburtstag, so soll das das letzte Zeichen sein, das Du von mir erhaltst. ‒ Abs.: Jenny Kornfeld, Wien. {2} In den weiteren Jahren kam es zu keinen Versöhnungsversuchen, es fehlt auch an weiterer Korespondenz. Weiteres Lebenszeichen habe ich erst aus den Jahren 1940 und 1941, Absender Frau Dr Heinrich Schenker, Wien. Aus diesen Briefen ein wichtiger Satz, der sozusagen die ganze Vergangenheit erläutet: ... aber sehen möchte ich Dich sehr gerne einmal, ich kenne Dich ja gar nicht und auch den Erich, der ist ja nun längst in den Jahren, eine schicksalshafte Leidenschaft 4 zu verstehen und vom hohen Richterstuhl herabzusteigen ‒ ich habe Euch ja damals gleich die Hand geboten, heute komme ich nicht als erste .... Mein Vater Felix traf sich aber doch noch mit seiner Mutter, das war im Jahre 1944 in Theresienstadt. Vonwo sie nicht zurükkam. Mein Vater Felix kam auch nicht aus dem KZ Auschwitz zurück, was sein letztes KZ nach Theresienstadt war. In dem erwähnten Briefwechsel 1940‒1941 wurde oft über die Auswanderung nach USA debattiert, was aber nicht zustandekam. Und zuletzt das Schicksal erfüllte. Das ist so ziemlich alles, was ich ihnen mitteilen kann. Von H. Schenker kann ich nichts mehr erwähnen, denn ausser seinen Karten und Unterschriften ist nichts vorhanden, der Name wurde auch niemals erwähnt. Die Firma Klaber + K. war zu Teil Firma meines Grossvaters, wo auch die beiden Sohne beschäftigt waren. Sie existierte bis 1936‒7. Ich hoffe, dass Ihnen meine Nachricht für Ihre Arbeit etwas nützlich ist. Falls Sie noch etwas brauchen, stellen sie konkrete Fragen, villeicht kann ich mich dann noch an was erinnern. © Transcription Ian Bent, 2020 |
[Note: all misspellings, archaic
orthography, and typing errors have been left unchanged in this
transcription.]
⇧ || Director, The Elder Conservatorium of Music | RECEIVED | 16 JUN 1988 || ⇧ Ústí nad Labem, June 7, 1988 ⇧ Dear Professor, 1 Back from holiday, I return to your letter and will tell you all that is known to me. Not much, however, is known about my grandmother Jeaneth, as will become apparent from the rest of my report. All the dates that interest you are on the enclosed family tree. 2 Most of them you already knew. It was in your letter that I heard the name Heinrich Schenker for the first time. However, since, on reading through old postcards and letters, I am struck by [the presence of] his name, so the past is now somewhat clearer to me. I never knew my grandmother Jeaneth. All that I have ever heard about her is that she left the family ‒ her husband Emil and her sons Erich and Felix ‒, which must have been in 1910 or thereabouts, and moved to Vienna. This separation was total; all contacts with the family were broken off; she was so to speak taboo for her husband Emil, and sons. Emil and Erich never again had any contact with her. Only with my father Felix did she have a very occasional exchange of letters, to which I will come in a moment. Heinrich Schenker must have been a very close friend of grandfather Emil ‒ so to speak, a family friend ‒ as can be seen from the old correspondence, for they spent several holidays together. Then the friendship must have taken a turn for the worse, as so often happens in life. Excerpts from postcards that I have, most of them from the Alps from the years 1903 to 1910, all addressed to my father Felix:
and several other postcards as well, from which can be concluded that the family spent several holidays with H. Schenker in the years 1903 to 1910. Around the year 1910 grandmother Jeaneth must thus have left the family. When the marriage was dissolved I cannot say. 3 As a further sign of life from this period was a present of a book for my father Felix's birthday with the dedication: "For your 13th birthday with love and devotion, from your Mother ‒ Vienna, June 23, 1912." So this time already from Vienna. Excerpt from a letter to father Felix of September 24, 1917: "... if you, against all expectations, ignore this letter as you did in the past [my] letter and package for your 13th birthday, then this shall be the last token you will receive from me." sender: Jenny Kornfeld, Vienna. {2} No attempts at reconciliation were made in the years that follow, nor is there any further correspondence. I have no further sign of life until the years 1940 and 1941, the sender [being] Mrs. Heinrich Schenker, Vienna. One important sentence from these letters, which, so to speak, elucidates the entire past: "... but I should dearly like to see you one day. I don't know you at all, or Erich, either, who has long been of an age to understand a fateful passion 4 and to come down from his lofty seat of judgment." Even in the past, I have extended my hand to you immediately; today I am not the first who comes …. My father Felix was, however, to encounter his mother one more time. That was in the year 1944 in Theresienstadt, from which she never returned. My father Felix, too, never returned from the Auschwitz concentration camp, which was his last concentration camp after Theresienstadt. There was frequent debate about emigration to the USA in the correspondence mentioned above from 1940‒41, but nothing came of it. And in the end, his fate was sealed. That is pretty well all that I can tell you. There is nothing more to report of H. Schenker, for other than his postcards and signatures I have nothing; moreover, his name was never spoken. The firm Klaber & Kornfeld was part-owned by my grandfather; his two sons were involved in it also. It remained in existence until 1936‒37. I hope that my information will be somewhat of use for your work. If there is anything else you should need, ask me specific questions and perhaps there will then be something more that I can remember. © Translation Ian Bent, 2020 |
[Note: all misspellings, archaic
orthography, and typing errors have been left unchanged in this
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⇧ || Director, The Elder Conservatorium of Music | RECEIVED | 16 JUN 1988 || ⇧ Ústí n. L., 7. 6. 1988 ⇧ Sehr geehrter Herr Professor, 1 vom Urlaub zurückgekehrt komme ich auf Ihren Brief zurük und werde Ihnen alles mitteilen, was mir bekannt ist. Viel über meine Grossmutter Jeaneth ist es aber nicht, wie sie aus meinem weiteren Bericht erfahren werden. Alle Daten, die sie interessieren, sind auf der Beilage auf dem Famielienschema, 2 die meisten haben sie ja schon gewusst. Den Namen Heinrich Schenker hörte ich zum erstenmal in Ihren Brief. Da ich aber beim durchlesen alter Karten und Briefe auf seinen Namen gestossen bin, so ist mir nun die Vergangenheit auch etwas klarer. Meine Grossmutter Jeaneth habe ich nicht gekannt. Soviel ich von ihr je erfahren habe, so hat sie die Famielie ‒ ihren Mann Emil und ihre Söhne Erich und Felix ‒ verlassen, das muss sich im Jahre 1910 / + - / abgespielt haben und ist nach Wien übersiedelt. Diese Trennung war total, alle Beziehungen zur Famielie wurden abgebrochen, sie war sozusagen für ihren Mann Emil und Söhne tabu. Zwischen Emil und Erich kam es mit ihr, niemals wieder zu einer Verbindung, nur mit meinem Vater Felix war ein sehr seltener Briefwechsel, auf den ich noch zurückkomme. Heinrich Schenker musste ein sehr guter Freund von Grossvater Emil gewesen sein, sozusagen ein Famielienfreund, was aus der alten Post zu ersehen ist, denn sie verbrachten einige gemeinsame Urlaube. Dann musste sich die Freundschaft andres entwickelt haben, wie es eben im Leben so manchmal passiert. Auszüge aus vorhandenen Postkarten, meistens aus den Alpen aus den Jahren 1903 bis 1910, alle addresiert an meinen Vater Felix:
und noch einige weitere Postkarten, daraus ist also zu schliessen, dass in den Jahren 1903 bis 1910 die Famielie mit H. Schenker einige Urlaube verbracht hatte. Rund um das Jahr 1910 muss also Grossmutter Jeaneth die Famielie verlassen haben, wann die Ehe geschieden wurde, weiss ich nicht. 3 Als weiteres Lebenszeichen aus dieser Zeit war ein Buchgeschenk zum Geburtstag meines Vaters Felix mit dieser Widmung: Zum 13. Geburtstag in Liebe und Treue von Deiner Mama ‒ Wien, 23. Juni 1912. Also diesmal schon aus Wien. Auszug aus einem Brief an Vater Felix vom 24. 9. 1917: ... solltest Du wider alles Erwarten dieses Schreiben so ignorieren wie seiner Zeit Brief und Sendung zu Deinem 13. Geburtstag, so soll das das letzte Zeichen sein, das Du von mir erhaltst. ‒ Abs.: Jenny Kornfeld, Wien. {2} In den weiteren Jahren kam es zu keinen Versöhnungsversuchen, es fehlt auch an weiterer Korespondenz. Weiteres Lebenszeichen habe ich erst aus den Jahren 1940 und 1941, Absender Frau Dr Heinrich Schenker, Wien. Aus diesen Briefen ein wichtiger Satz, der sozusagen die ganze Vergangenheit erläutet: ... aber sehen möchte ich Dich sehr gerne einmal, ich kenne Dich ja gar nicht und auch den Erich, der ist ja nun längst in den Jahren, eine schicksalshafte Leidenschaft 4 zu verstehen und vom hohen Richterstuhl herabzusteigen ‒ ich habe Euch ja damals gleich die Hand geboten, heute komme ich nicht als erste .... Mein Vater Felix traf sich aber doch noch mit seiner Mutter, das war im Jahre 1944 in Theresienstadt. Vonwo sie nicht zurükkam. Mein Vater Felix kam auch nicht aus dem KZ Auschwitz zurück, was sein letztes KZ nach Theresienstadt war. In dem erwähnten Briefwechsel 1940‒1941 wurde oft über die Auswanderung nach USA debattiert, was aber nicht zustandekam. Und zuletzt das Schicksal erfüllte. Das ist so ziemlich alles, was ich ihnen mitteilen kann. Von H. Schenker kann ich nichts mehr erwähnen, denn ausser seinen Karten und Unterschriften ist nichts vorhanden, der Name wurde auch niemals erwähnt. Die Firma Klaber + K. war zu Teil Firma meines Grossvaters, wo auch die beiden Sohne beschäftigt waren. Sie existierte bis 1936‒7. Ich hoffe, dass Ihnen meine Nachricht für Ihre Arbeit etwas nützlich ist. Falls Sie noch etwas brauchen, stellen sie konkrete Fragen, villeicht kann ich mich dann noch an was erinnern. © Transcription Ian Bent, 2020 |
[Note: all misspellings, archaic
orthography, and typing errors have been left unchanged in this
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⇧ || Director, The Elder Conservatorium of Music | RECEIVED | 16 JUN 1988 || ⇧ Ústí nad Labem, June 7, 1988 ⇧ Dear Professor, 1 Back from holiday, I return to your letter and will tell you all that is known to me. Not much, however, is known about my grandmother Jeaneth, as will become apparent from the rest of my report. All the dates that interest you are on the enclosed family tree. 2 Most of them you already knew. It was in your letter that I heard the name Heinrich Schenker for the first time. However, since, on reading through old postcards and letters, I am struck by [the presence of] his name, so the past is now somewhat clearer to me. I never knew my grandmother Jeaneth. All that I have ever heard about her is that she left the family ‒ her husband Emil and her sons Erich and Felix ‒, which must have been in 1910 or thereabouts, and moved to Vienna. This separation was total; all contacts with the family were broken off; she was so to speak taboo for her husband Emil, and sons. Emil and Erich never again had any contact with her. Only with my father Felix did she have a very occasional exchange of letters, to which I will come in a moment. Heinrich Schenker must have been a very close friend of grandfather Emil ‒ so to speak, a family friend ‒ as can be seen from the old correspondence, for they spent several holidays together. Then the friendship must have taken a turn for the worse, as so often happens in life. Excerpts from postcards that I have, most of them from the Alps from the years 1903 to 1910, all addressed to my father Felix:
and several other postcards as well, from which can be concluded that the family spent several holidays with H. Schenker in the years 1903 to 1910. Around the year 1910 grandmother Jeaneth must thus have left the family. When the marriage was dissolved I cannot say. 3 As a further sign of life from this period was a present of a book for my father Felix's birthday with the dedication: "For your 13th birthday with love and devotion, from your Mother ‒ Vienna, June 23, 1912." So this time already from Vienna. Excerpt from a letter to father Felix of September 24, 1917: "... if you, against all expectations, ignore this letter as you did in the past [my] letter and package for your 13th birthday, then this shall be the last token you will receive from me." sender: Jenny Kornfeld, Vienna. {2} No attempts at reconciliation were made in the years that follow, nor is there any further correspondence. I have no further sign of life until the years 1940 and 1941, the sender [being] Mrs. Heinrich Schenker, Vienna. One important sentence from these letters, which, so to speak, elucidates the entire past: "... but I should dearly like to see you one day. I don't know you at all, or Erich, either, who has long been of an age to understand a fateful passion 4 and to come down from his lofty seat of judgment." Even in the past, I have extended my hand to you immediately; today I am not the first who comes …. My father Felix was, however, to encounter his mother one more time. That was in the year 1944 in Theresienstadt, from which she never returned. My father Felix, too, never returned from the Auschwitz concentration camp, which was his last concentration camp after Theresienstadt. There was frequent debate about emigration to the USA in the correspondence mentioned above from 1940‒41, but nothing came of it. And in the end, his fate was sealed. That is pretty well all that I can tell you. There is nothing more to report of H. Schenker, for other than his postcards and signatures I have nothing; moreover, his name was never spoken. The firm Klaber & Kornfeld was part-owned by my grandfather; his two sons were involved in it also. It remained in existence until 1936‒37. I hope that my information will be somewhat of use for your work. If there is anything else you should need, ask me specific questions and perhaps there will then be something more that I can remember. © Translation Ian Bent, 2020 |
Footnotes1 The originals of this letter and its enclosure are in the possession of the recipient, who presented the Oswald Jonas Memorial Collection with the photocopies. It is not possible to reproduce the family tree here. 2 The family tree is in Tomáš Kornfeld's hand and was enclosed with this letter. It has not been possible to reproduce it on this site. 3 The marriage was dissolved on July 31, 1919, and Jeanette and Heinrich married on November 10, 1919. 4 i.e. the passion that Jeanette felt for Schenker, and drew her away from her family home at Dresdenerstraße 8, Aussig. |