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DLA 69.930/15 - Handwritten letter from Schenker to Halm, dated July 11, 1927
Hier, in Tirol, komme ich erst dazu, Ihnen für Ihren „ Beethoven “ 2 herzlichst zu danken u. Ihnen zur Gewinnung von Hesse’s Verlag u. der [Deutschen] Buchgemeinschaft 3 Glück zu wünschen: nun kann es Ihnen an einer Verbreitung Ihrer Gedanken nicht fehlen. Auch Ihr Beethoven-Buch gibt mir Gelegenheit zu sagen, daß die zwischen uns beiden waltenden Misverständnisse sicher behebbar sind, daß es in einem gewissen Sinne schade ist, wenn wir nicht ganz zusammengehen. Vielleicht schafft hierin der „freie Satz“ 4 einigen Wandel, der nun an die Reihe kommt. Vorläufig kommt noch das Jb. II (spätestens Oktober), womit ich den „Tonw.“ abschließe, 5 um ganz Herr der Zeit u. meiner {2} Arbeitskräfte zu sein. Es fügt sich seltsam, daß mein Jb. II die erste C-moll Fuge des “Wohlt. Kl.“ ebenfalls bringt u. zw. als Beleg für das Organische auch in der Fugenform. 6 Gegen Jöhde ’s, 7 Werker ’s, 8 Graeser ’s 9 Bach-Unternehmungen dürfte die kleine Abhandlung zunächst vielleicht wenig ausrichten, aber wenn es einem Bach so schlecht mit diesen Unmenschen geht, warum sollte ich es besser haben wollen? Noch vor 4–5 Jahren hätte ich einen solchen Bach-Verfall nicht anzunehmen gewagt, obwohl ich seit 30 Jahren auch i. meine Leser auf das Schlimmste gefaßt mache. Nur wenn Schönberg eine Gegenäußerung wagt, würde ich ein kleines Schriftchen zur Aufrechterhaltung des in Jhb. II gegen ihn Vorgebrachten herausgeben. Sonst bleibe ich beim „fr. Satz“ u. setzte nun das Werk ohne Einschaltung bis ans Ende {3} fort. An der Beeth.feier in Wien 10 habe ich mich gar nicht beteiligt, sie war zu sehr auf Romain-Rolland 11 , Casals 12 usw. gestellt, um von Herriot 13 u. Kollegen nicht zu sprechen. An Titeln u. hohen Auszeichnungen bin ich ausgewichen u. ich habe nur für den „General-Anzeiger für Bonn u. Umgegend“ einen kleinen Aufsatz geschrieben unter dem Titel „B. u. seine Nachfahren.“ 14 Hindemith schrieb mir Gutgemeintes, ich erwiderte mit Gutgemeintem, 15 nur – es geht jetzt in der Musik u. in der Musikliteratur zu, wie in einer echten Tragoedie: ein Jeder will u. kann, wie er muß, Alle sind gegen Alle, Jeder gegen Jeden u. das gibt einen tragischen Ausgang: die Musik geht ab. Desto besser für Sie, wenn Sie besseres {4} erwarten, ich bleibe dabei, daß man der Tonkunst noch gar nicht in die Augen gesehen hat, obwohl sie sie so schön geöffnet hat. Lassen Sie, bitte, bald von sich hören u. seien Sie aufs beste gegrüßt © Transcription Ian Bent and Lee Rothfarb, 2006 |
Here in the Tyrol I am only now getting around to thanking you cordially for your Beethoven , 2 and to wishing you luck on contracting with Hesse's publishing house and with the [German] Book Society. 3 Now you won't lack for the dissemination of your ideas. Your Beethoven book also gives me the opportunity to say that the misunderstandings prevailing between us can surely be removed, that in a certain sense it is a shame if we don't join forces. In that regard perhaps Free Composition , 4 whose turn it is now, will bring about some change. For the time being, Yearbook II comes first (October at the latest), with which I finish off Der Tonwille , 5 so that I can be master of [my] time and of my {2} capacity for work. It just so happens that my Yearbook II likewise includes the first C minor fugue of the Well-tempered Clavier , specifically as evidence for organicism also in fugue form. 6 Contrary to Jöhde's, 7 Werker's, 8 [and] Graeser's 9 undertakings with Bach, my brief essay may at first convey perhaps little. But if Bach fares so badly with those brutes, why should I expect anything better? Four-to-five years ago I would not have ventured to assume such a deterioration in the appreciation of Bach, although for thirty years I too have prepared my readers for the worst. Only if Schoenberg attempts a rebuttal would I publish a short essay to substantiate statements against him presented in Yearbook II. Otherwise I will stick to Free Composition and will continue on that work without interruption up to its conclusion. {3} I did not take part at all in the Beethoven festival in Vienna. 10 It revolved too much around Romain Rolland, 11 Casals, 12 etc., not to mention Herriot 13 and colleagues. I sidestepped titles and elevated honors, and just wrote a little essay for the General Gazette for Bonn and Environs entitled "Beethoven and his Descendants." 14 Hindemith wrote me some well-intentioned words; I replied with something well-intentioned: 15 however, events in music and in music literature are unfolding like a genuine tragedy. Each person wants and can do as he is compelled, all are against all, everyone against everyone else, and that will produce a tragic end: music will go down the drain. All the better for you if you {4} expect anything better. I stick with the view that people have not yet looked the art of music in the eye, although music has so wonderfully opened our eyes. Let me hear from you soon, please, and accept best greetings © Translation Lee Rothfarb, 2006 |
Hier, in Tirol, komme ich erst dazu, Ihnen für Ihren „ Beethoven “ 2 herzlichst zu danken u. Ihnen zur Gewinnung von Hesse’s Verlag u. der [Deutschen] Buchgemeinschaft 3 Glück zu wünschen: nun kann es Ihnen an einer Verbreitung Ihrer Gedanken nicht fehlen. Auch Ihr Beethoven-Buch gibt mir Gelegenheit zu sagen, daß die zwischen uns beiden waltenden Misverständnisse sicher behebbar sind, daß es in einem gewissen Sinne schade ist, wenn wir nicht ganz zusammengehen. Vielleicht schafft hierin der „freie Satz“ 4 einigen Wandel, der nun an die Reihe kommt. Vorläufig kommt noch das Jb. II (spätestens Oktober), womit ich den „Tonw.“ abschließe, 5 um ganz Herr der Zeit u. meiner {2} Arbeitskräfte zu sein. Es fügt sich seltsam, daß mein Jb. II die erste C-moll Fuge des “Wohlt. Kl.“ ebenfalls bringt u. zw. als Beleg für das Organische auch in der Fugenform. 6 Gegen Jöhde ’s, 7 Werker ’s, 8 Graeser ’s 9 Bach-Unternehmungen dürfte die kleine Abhandlung zunächst vielleicht wenig ausrichten, aber wenn es einem Bach so schlecht mit diesen Unmenschen geht, warum sollte ich es besser haben wollen? Noch vor 4–5 Jahren hätte ich einen solchen Bach-Verfall nicht anzunehmen gewagt, obwohl ich seit 30 Jahren auch i. meine Leser auf das Schlimmste gefaßt mache. Nur wenn Schönberg eine Gegenäußerung wagt, würde ich ein kleines Schriftchen zur Aufrechterhaltung des in Jhb. II gegen ihn Vorgebrachten herausgeben. Sonst bleibe ich beim „fr. Satz“ u. setzte nun das Werk ohne Einschaltung bis ans Ende {3} fort. An der Beeth.feier in Wien 10 habe ich mich gar nicht beteiligt, sie war zu sehr auf Romain-Rolland 11 , Casals 12 usw. gestellt, um von Herriot 13 u. Kollegen nicht zu sprechen. An Titeln u. hohen Auszeichnungen bin ich ausgewichen u. ich habe nur für den „General-Anzeiger für Bonn u. Umgegend“ einen kleinen Aufsatz geschrieben unter dem Titel „B. u. seine Nachfahren.“ 14 Hindemith schrieb mir Gutgemeintes, ich erwiderte mit Gutgemeintem, 15 nur – es geht jetzt in der Musik u. in der Musikliteratur zu, wie in einer echten Tragoedie: ein Jeder will u. kann, wie er muß, Alle sind gegen Alle, Jeder gegen Jeden u. das gibt einen tragischen Ausgang: die Musik geht ab. Desto besser für Sie, wenn Sie besseres {4} erwarten, ich bleibe dabei, daß man der Tonkunst noch gar nicht in die Augen gesehen hat, obwohl sie sie so schön geöffnet hat. Lassen Sie, bitte, bald von sich hören u. seien Sie aufs beste gegrüßt © Transcription Ian Bent and Lee Rothfarb, 2006 |
Here in the Tyrol I am only now getting around to thanking you cordially for your Beethoven , 2 and to wishing you luck on contracting with Hesse's publishing house and with the [German] Book Society. 3 Now you won't lack for the dissemination of your ideas. Your Beethoven book also gives me the opportunity to say that the misunderstandings prevailing between us can surely be removed, that in a certain sense it is a shame if we don't join forces. In that regard perhaps Free Composition , 4 whose turn it is now, will bring about some change. For the time being, Yearbook II comes first (October at the latest), with which I finish off Der Tonwille , 5 so that I can be master of [my] time and of my {2} capacity for work. It just so happens that my Yearbook II likewise includes the first C minor fugue of the Well-tempered Clavier , specifically as evidence for organicism also in fugue form. 6 Contrary to Jöhde's, 7 Werker's, 8 [and] Graeser's 9 undertakings with Bach, my brief essay may at first convey perhaps little. But if Bach fares so badly with those brutes, why should I expect anything better? Four-to-five years ago I would not have ventured to assume such a deterioration in the appreciation of Bach, although for thirty years I too have prepared my readers for the worst. Only if Schoenberg attempts a rebuttal would I publish a short essay to substantiate statements against him presented in Yearbook II. Otherwise I will stick to Free Composition and will continue on that work without interruption up to its conclusion. {3} I did not take part at all in the Beethoven festival in Vienna. 10 It revolved too much around Romain Rolland, 11 Casals, 12 etc., not to mention Herriot 13 and colleagues. I sidestepped titles and elevated honors, and just wrote a little essay for the General Gazette for Bonn and Environs entitled "Beethoven and his Descendants." 14 Hindemith wrote me some well-intentioned words; I replied with something well-intentioned: 15 however, events in music and in music literature are unfolding like a genuine tragedy. Each person wants and can do as he is compelled, all are against all, everyone against everyone else, and that will produce a tragic end: music will go down the drain. All the better for you if you {4} expect anything better. I stick with the view that people have not yet looked the art of music in the eye, although music has so wonderfully opened our eyes. Let me hear from you soon, please, and accept best greetings © Translation Lee Rothfarb, 2006 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/9, p. 3087, July 10, 1927: "An Halm (Br.): Dank für das Beethoven-Buch u. wünsche Glück zu den neuen Verlagen. Ich gebe dem Bedauern Ausdruck, daß gerade wir nicht zusammengehen, was ja nur an einigem Mißverständnis liege." ("To Halm (letter): thanks for the Beethoven book; I wish him luck with the new publishing houses. I give expression to my regret that the two of us, of all people, do not stand shoulder to shoulder, which indeed could only be the result of a misunderstanding."). 2 Halm, Beethoven (Berlin: Max-Hesse-Verlag, 1927). 3 Halm, Einführung in die Musik (Berlin: Deutsche Buch-Gemeinschaft, 1926). 4 On August 26, 1926, Schenker remarked: "I am working on Free Composition the last volume of the [New Musical] Theories [and Fantasies], which will bring together everything that is needed (OJ 5/7a, [3], to von Cube); on September 4, 1926: "my Free Composition summons me" (OJ 5/7a, [4]); On September 6, 1928: "This year I shall prepare Free Composition for publication" (OJ 5/7a, [18]). 5 Das Meisterwerk in der Musik, vol. II (Munich: Drei-Masken-Verlag, 1926), released on September 30, 1927. Schenker saw this work as the continuation of Der Tonwille (Vienna: Tonwille-Flugblätterverlag [=UE], 1921–24) after relations with UE had broken down in 1925; however, Drei-Masken-Verlag insisted for marketing reasons on changing the title. 6 "Das Organische der Fuge aufgezeigt an der I. C-moll-Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier von John. Seb. Bach," Das Meisterwerk in der Musik, vol. II, 57–95 (Eng. transl., vol. II, pp. 31–54). 7 Jöde was author of Die Kunst Bachs (1926) (not mentioned in "Das Organische der Fuge," perhaps because the book was too recent to come to Schenker's attention in time for that article). 8 Wilhelm Werker, Studien über die Symmetrie im Bau der Fugen und die motivische Zusammengehörigkeit der Präludien und Fugen des „Wohtemperierten Klaviers“ von Johann Sebastian Bach (Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1922), discussed in "Das Organische der Fuge," pp. 81–84 (Eng. transl., vol. II, pp. 45–47). 9 Wolfgang Graeser, "Bachs ‚Kunst der Fuge'," Bach-Jahrbuch 21 (1924), 1–104, and the supplementary volume 47 of the Bach-Gesellschaft edition, discussed in "Das Organische der Fuge," p. 84 (Eng. transl., vol. II, pp. 47–48). 10 1927, the centenary of Beethoven's death, saw a major centennial festival and exhibition in Vienna. 11 Romain Rolland (1866–1944), French novelist, dramatist, Nobel Prize winner in 1915; occupied the first chair of music at the Sorbonne from 1903 on; writer on music, author of Beethoven (Paris, 1903, 2nd edn 1927), La vie de Haendel (Paris, 1906), Musiciens d'aujourd'hui and Musiciens d'autrefois (Paris, 1908), Goethe et Beethoven (Paris: Editions du Sablier, 1930), and other works. He was also a member of the Clarté group, much criticized by Schenker, notably in "The Mission of German Genius," Der Tonwille Heft 1 (1924), 14–15 (Eng. transl., vol. I, pp. 14–15). 12 Pablo Casals (1876–1973), Catalan cellist, conductor, composer. 13 Edouard Herriot (1872–1957), radical French politician, premiere of France three times between 1924 and 1932; writer on music, author of the popular biography La vie de Beethoven (Paris, 1929). 14 "Beethoven und seine Nachfahren," General-Anzeiger für Bonn und Umgegend, special supplement "Zum 100. Todestage Beethovens," March 26, 1927, pp. 3–4 (clipping preserved as OJ 20/8; original MS in Jeanette Schenker's hand as OJ 17/3, dated "27. III. 27"). 15 Reference is to surviving letters OJ 11/51, [1] (Hindemith to Schenker, October 25, 1926), OJ 5/17, [1, vsn 1] (Schenker to Hindemith, November 12, 1926). The exchange arose out of a remark in Das Meisterwerk in der Musik, vol. I (1925), p. 219 ("supposing Beethoven wrote music 'today' like Hindemith ‒ well then, he would be bad, like him"), to which Hindemith responded by expressing admiration for Schenker's work, enclosing two of his quartet scores and claiming that Schenker would find the Urlinie and confirmation of Schenker's theories in them, a contention that Schenker rejected vigorously. See Donald Johns, "'Aimez-vous Brahms?': Ein Hindemith–Schenker-Briefwechsel," Hindemith-Jahrbuch 20 (1991), 141–51; Hellmut Federhofer, Heinrich Schenker nach Tagebüchern ... (1985), pp. 150–53. |